Leserbrief: Meine Stute reißt den Kopf hoch

Hallo, ich habe eine 14 jährige Friesenstute, die einen ziemlichen Unterhals hat und immer wieder gegen die Anlehnung geht und den Kopf hoch reißt, es wird langsam besser, aber auch nicht wirklich perfekt. Longieren geht gar nicht, da sie sich gegen die Ausbinder drückt. Habt ihr eine Lösung ? So ist es auch im Galopp, sie geht absulut nicht in den Galopp und wenn, dann rennt sie die ersten Meter im Trab mit hoch gerissenem Kopf und dann vielleicht 3 Galoppsprünge mit hoch gerissenem Kopf .. :(

 

Antwort:

Vielen Dank für deine Nachricht!

Zuerst ein Mal ist es sehr wichtig heraus zu finden, warum sie das tut. Eines ist schon Mal klar: Sie tut sicher nichts, um dich zu ärgern. :-) Hier kommen verschiedene Ursachen in Frage. Sobald Du ungefähr weißt, woran es liegt, kannst du mit einer meiner Lösungsvorschläge beginnen.

 

Warum also reißt sie den Kopf hoch?

Als Erstes musst du vor allem dich selbst (oder eine eventuelle Reitbeteiligung) kritisch hinterfragen: Ziehe ich an den Zügeln, bin ich andauernd am „rumfummeln“ mit den Zügeln und somit am sensiblen Mäulchen, weil ich unbedingt möchte, dass sie den Kopf runter nimmt? Davon wird sie leider nie den Hals fallen lassen! Gebe ich ihr ein angenehmes Gefühl im Rücken oder plumpse ich doch oft unkontrolliert in den Rücken? Übrigens: Wenn sie immer mit erhobenem Kopf unter dem Reiter läuft, trabe unbedingt leicht, nicht aussitzen, und im Galopp ebenfalls in den Entlastungssitz gehen!

Hat sie vielleicht Schmerzen im Rücken? Eine Ursache kann ein unpassender Sattel sein. Dies kannst du von einem Sattler überprüfen lassen. Anzeichen sind giften, zappeln, in Strick oder Stangen beißen beim Satteln. Zusätzlich zu dem Sattler gibt es klasse Hilfsmittel die Passigkeit des Sattels sehr genau zu überprüfen, sieh dir folgende Webseiten an: www.equiscan.de, www.impression-pad.de, http://www.satteldruckmessung.de/reitsport/satteldruckmessung/.

Hat sie vielleicht Zahnschmerzen? Wie lange ist es her, dass der TA oder sogar Pferdezahnarzt ihr die Zähne gemacht hat?

 

Wie kann ich ihr nun aus der hohen Halsposition heraus helfen?

An der Longe:
An der Longe drückt sie sich gegen die Ausbinder. Dies ist ein Zeichen dafür, dass ihr jegliche Verbindung zum Maul über ist und sie sogar sehr genervt davon zu sein scheint… Nimm ihr doch jegliche Einengung und longiere sie lediglich am Halfter. Hauptsächlich aus mentalen Gründen, sodass sie sich mal ganz ungezwungen bewegen darf. Natürlich ohne Ausbinder und in sicherer Umgebung. Longe jeweils an der inneren Seite des Halfters einhaken, nicht unten an dem Ring, an dem der Führstrick eingehängt wird. Ich bin mir sicher, dass ihr diese neue Freiheit gefallen wird und sie durch viele Übergänge den Hals von alleine fallen lassen wird. Dieser Prozess kann dauern, nicht zu viel vom ersten Longieren erwarten. Achte immer darauf, dass Du sie ausreichend vorwärts schickst. Damit meine ich nicht, dass du sie scheuchen sollst, lediglich, dass wenn sie trabt oder galoppiert, sie fleißig ist. Im Schritt gönnst du ihr dann regelmäßig Pausen und sie kann verschnaufen. Lege ihr unbedingt Stangen hin, das lockert sie (wie Du das machst, unbedingt in meinem Artikel nach lesen, nicht einfach drauf los: http://reiter-pferde.com/2014/09/hinterhand-aktivieren-warum-und-wie/!).

Solltest du sie nach einer Weile wieder mit Ausbindern longieren, nutze unbedingt Dreieckszügel und auch hier: wenn sie fleißig geht, kann sie sich weniger in die Ausbinder hängen. Gleichzeitig tritt sie an das Gebiss heran und erfährt eine konstante, positive Verbindung, die sie braucht.

Beim Reiten:
Läuft ein Pferd durchs Genick, also am Zügel, ist dies das Ergebnis von korrektem Untertreten der Hinterhand und einem somit aufgewölbtem Rücken. Es ist also nicht das Ergebnis der Einwirkung deiner Hände. Dessen muss man sich bewusst sein. Deine Hände bedingen natürlich ihre Kopfhaltung, sie sind aber nicht der Auslöser, dass sie durchs Genick geht. Das heißt, du begleitest sie mit einer weichen fairen Hand und lässt somit zu, dass sie den Weg in die Tiefe findet. Deine Hände halten hochelastisch eine Verbindung zum Pferdemaul. Stell Dir vor, dass Du mit dem Eigengewicht deiner Unterarme locker im Zügel hängst. Dann hast Du das richtige Maß an Verbindung. Du ziehst nicht, Du reitest aber auch nicht mit schlabbernden Wäscheleinen oder gar springendem Zügel. Plötzliche oder unsensible Bewegungen wie das Pferd auf gebogenen Linien am inneren Zügel nach innen zu ziehen, es geradezu fest zu zurren, damit es irgendwie nach innen guckt und es dann gebogen aussieht, sind absolut kontraproduktiv. Dabei ist das Pferd dann einfach nur verspannt.

Das Mäulchen ist also heilig!

Die verschiedenen Übungen in meinem Artikel sind eigentlich genau DIE Lösungsansätze und Übungen für euch: http://reiter-pferde.com/2014/09/hinterhand-aktivieren-warum-und-wie/

Du musst also alles daran setzten, ihre Hinterhand zu aktivieren und dass sie somit ihren Rücken aufwölbt. Dass der Hals dann in die richtige Position „rückt“, ist lediglich das Ergebnis.
Deine Hände sind das Gegenüber und du musst peinlich genau darauf achten, dass du fair, beweglich und fein mit deinen Händen bist, Du darfst sie zu keinem Zeitpunkt behindern.
Es ist sehr wichtig, dass die Reiterhand mal verwahrend und mal nachgebend ist. Um dies zu veranschaulichen: Eine der Übungen ist das Spiel mit dem Tempo. Mal schneller traben, mal langsamer. Möchtest du schneller traben, treibst du sie mit deinen Waden vorwärts. Im gleichen Moment wirst du mehr Druck in der Hand spüren, da sie gegen die Hand laufen wird. Dies wird sie als noch unangenehmer empfinden als ohnehin. Nun verwahrt deine Hand für einen Moment, das heißt du ziehst nicht, du gibst aber auch nicht nach. Nach vielleicht 1-2 Sekunden schon gibst du ohne die Verbindung auf zu geben langsam nach. Nicht viel, deine Hand geht vielleicht nur wenige Zentimeter in Richtung Pferdemaul. Nach ein paar Mal wird sie deiner Hand folgen und der Kopf senkt sich. Das hat die Ursache, dass sie die Situation, in der du nachgibst angenehmer findet, als die Situation, in der Du „künstlich“ Druck (=>treiben mit verwahrender Hand) aufgebaut hast. Du spielst also mit Druckaufbau und abspannen. Dieser Vorgang kommt einer halben Parade sehr nah.

Hier ist das Timing von treibender, verwahrender und nachgebender Hilfe essenziell, damit du sie nicht zusammen quetscht und sie nicht verärgerst und verspannst! Es sollte dich unbedingt ein Trainer dabei begleiten.

 

Bekommst du sie besser durch das Genick geritten, wird sich auch der Galopp bessern. Ich würde den Galopp erst ein Mal auslassen, da dieser sehr viel Unruhe und Stress in das Reiten bringt, denn das scheint ein größeres Problem zu sein. An der Longe hingegen kannst du sie gerne in den Galopp schicken. Es ist für sie einfacher ohne Reitergewicht die Balance zu halten.

Viele Friesen haben von Natur aus einen sehr hohen Halsansatz, dies bringt die Rasse einfach mit sich. Dies macht es oft nicht gerade einfacher sie dazu zu bringen, den Hals fallen zu lassen.

Hinzu kommt, dass sie 14 Jahre ist und wahrscheinlich schon länger so läuft. Somit ist es nicht leicht, dies auf Dauer zu ändern, ABER es ist möglich und daher kannst du es schaffen!! Nicht aufgeben ;-) So ganz alleine ist es schwierig, such Dir also eine liebevolle Reitlehrerin, kein Geschrei und kein übermäßger Stress für Dich und deine Stute! Das bringt keine Entspannung…

Wie Du an meiner Antwort siehst, ist dies ein sehr komplexes Thema und es ist absolut in Ordnung, dass es euch schwer fällt. Umso besser, dass Du dich damit aktiv befasst, um was zu verändern! ;-)

 

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